Kriminologie
Thematischer Zugang und Selbstverständnis
Der kriminologische Arbeitsbereich der AGSKK versteht sich als sozialwissenschaftlich fundiertes, praxisbezogenes Analysefeld zur Erklärung, Kontextualisierung und Bewertung devianten Verhaltens sowie gesellschaftlicher Reaktionen auf Normverletzungen. Unser Zugang verknüpft klassische kriminologische Theoriebildung mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen – etwa Polarisierung, digitale Delinquenz, illegale Migration oder soziostrukturelle Desintegration.
Im Zentrum unserer Arbeit steht das Verständnis von Kriminalität als sozial konstruiertem Phänomen, das im Wechselspiel individueller Biografien, institutioneller Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Strukturentwicklungen entsteht. Dabei interessieren uns nicht nur Delikttypen und Täterprofile, sondern auch Viktimisierungsprozesse, Präventionsmöglichkeiten sowie die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion von Strafbedürfnis und Sicherheitsdiskursen.
Thematische Schwerpunkte umfassen u. a.:
- Jugenddelinquenz, Übergangsphasen und soziale Marginalisierung
- Radikalisierungsprozesse in religiösen, politischen und digitalen Milieus
- Interdisziplinäre und multiprofessionelle Kriminalprävention
- Kollektive Unsicherheitswahrnehmungen und gesellschaftliche Reaktionen
Methodische Zugänge
Unsere methodische Arbeit zeichnet sich durch einen multiperspektivischen Ansatz aus, der qualitative und quantitative Erhebungsverfahren kombiniert. In der Primärdatenerhebung arbeiten wir mit:
- Bevölkerungsbefragungen zur Entwicklung ideologischer Einstellungen, Kriminalitätsfurcht, Viktimisierung und Einstellung gegenüber Strafverfolgung
- Interviews mit Täterinnen und Tätern, Betroffenen, Fachkräften und Institutionenvertreterinnen und -vertretern
- Biografieforschung im Kontext von Devianz, Radikalisierung und Resozialisierung
- ethnografischen Beobachtungen in relevanten sozialen Milieus
Ergänzend analysieren wir Sekundärdaten aus Strafverfolgung, Bildung, Sozialstatistik oder Gesundheitswesen und integrieren international vergleichende Perspektiven. Mixed-Methods-Designs kommen insbesondere dort zum Einsatz, wo Interventions-, Präventions- oder Evaluationsforschung anwendungsnah angelegt ist. Auch standardisierte Instrumente sind Teil unseres methodischen Repertoires.
Projekte und öffentliche Resonanz
Die AGSKK ist an mehreren nationalen und europäischen Forschungsvorhaben beteiligt. Für das Bundesministerium des Innern und für Heimat untersuchte Prof. Dr. Dominic Kudlacek, Geschäftsführer der AGSKK, für die Hochschule Bremerhaven von 2022 bis 2024 die Zusammenarbeit von Polizei und Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus auf Bundes- und Länderebene. Entstanden ist in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein umfassender Bericht zu aktuellen Befunden, Herausforderungen und Verbesserungsmöglichkeiten in der gemeinsamen Prävention und Intervention politischer Radikalisierung und politisch-motivierter Kriminalität.
Prof. Kudlacek widmete sich überdies an der Hochschule mit dem Projekt PEGASUS (gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2020-2023) der Bekämpfung organisierter Schleusungskriminalität durch die Auswertung von Massendaten. Hierbei kam maschinelles Lernen zum Einsatz, um kriminelle Netzwerke, Vorgehensweisen und Organisationsformen von Schleusern zu erkennen (mehr Informationen).
Die Agentur greift für diese Tätigkeiten nicht nur auf ein breites Netz an internationalen Kooperationspartnern zurück; sie ist auch selbst weltweit aktiv. So entstand zuletzt 2024 im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein kriminologisch-fundiertes Strategiepapier zur Unterstützung und Stabilisierung der Gewaltprävention im Irak.
Neben zahlreichen Fachpublikationen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Geschäftsführer Prof. Dr. Dominic Kudlacek seit 2017 auch medial verschiedentlich als Experte gefragt. So wurde er in der Nordsee-Zeitung (2020) zur Radikalisierung Jugendlicher befragt, in einem Hintergrund-Artikel der ARD-Tagesschau (2021) ordnete er die Statistiken zur Debatte um Kriminalitätsbelastung ein.
Durch ihre Mitgliedschaft in diversen Fachvereinigungen, darunter der Kriminologischen Gesellschaft, der European Society of Criminology und der American Society of Criminology, stellen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen stetigen Transfer zur Fachcommunity sicher: Auf den Jahrestagungen sowie Fachkongressen präsentieren und diskutieren wir regelmäßig mit nationalen wie internationalen Kolleginnen und Kollegen neue Erkenntnisse.
Mit seiner Expertise unterstützt Prof. Kudlacek überdies als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats den Fachinformationsdienst „Kriminologie“ der Eberhard Karls Universität Tübingen (KrimDok) sowie das „Monitoringsystem und Transferplattform Radikalisierung“ des Bundeskriminalamtes (MOTRA). Für das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung, den Schweizerischen Nationalfons zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) im Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften sowie für zahlreiche wissenschaftliche Fachzeitschriften (u. a. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, European Law Enforcement Research Bulletin/European Police Science and Research Bulletin, European Journal on Criminal Policy and Research) war bzw. ist er als Ad-hoc-Gutachter tätig.
Leistungen und Anwendungsfelder
Unsere kriminologischen Dienstleistungen richten sich an Akteure aus Verwaltung, Zivilgesellschaft, Bildungswesen und Sicherheitsarchitektur. Wir bieten:
- Analyse lokaler oder themenspezifischer Kriminalitätsphänomene
(z. B. Hatespeech, Radikalisierung, Schulgewalt, Jugenddelinquenz) - Konzeption und Durchführung von Dunkel- und Hellfeldstudien
- Evaluation von Präventionsprogrammen und Interventionsstrategien
- Entwicklung evidenzbasierter Handlungsempfehlungen für Jugendhilfe, Polizei, Schule und Justiz
- Prozessbegleitung bei der Etablierung kommunaler Präventionsstrukturen
- Fortbildungen, Fachveranstaltungen und Schulungen zu aktuellen kriminologischen Themen
Unsere Angebote orientieren sich an wissenschaftlicher Validität, politischer Anschlussfähigkeit und sozialer Verantwortlichkeit. Sie zielen darauf ab, kriminologisches Wissen in gesellschaftliche und institutionelle Handlungspraxis zu überführen.